Logo

Algorithmus 2019:

KiMiss-Algorithmus

EbM-Verfahren

Schätzung des Gesamtverlusts von Kindeswohl

Das KiMiss-Rating-Verfahren 2014 stellt für jedes Item der KiMiss-Liste einen Score zur Verfügung, welcher den Schweregrad eines Elternverhaltens beschreibt und erlaubt, einen prozentualen Verlust von Kindeswohl abzuleiten. Sind in einer familiären Fallkonstellation mehrere Items beobachtbar, entsteht die Frage, in welcher Form der Schweregrad der einzelnen Items summiert werden kann, um einen Gesamtverlust von Kindeswohl schätzen zu können.
Es gibt bislang kein allgemeingültiges Konzept dafür, wie sich Lebensqualitäts-mindernde Faktoren mathematisch und inhaltlich korrekt zu einem Gesamt-Verlust von Lebensqualität aufaddieren lassen. Dies gilt auch für den Verlust von kindlicher Lebensqualität oder den Verlust von Kindeswohl. Die Skala des Verlusts von Kindeswohl wurde jedoch im Hinblick darauf konstruiert, dass eine Summation von Items auf der Ebene der R-Scores mathematisch korrekt erfolgen kann.
Eine mathematisch korrekte Summation von Items ist leicht zu gewährleisten im Gegensatz zu einer inhaltlich korrekten Summation: diese wird durch thematische Überlappungen von Items erschwert, deutlich z. B. bei den Items G025 und G127: Ein Elternteil, der sich an Umgangsterminen am Holen und Bringen des Kindes nicht beteiligt, wird sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 87% auch nicht an den dabei entstehenden Fahrtkosten beteiligen (KiMiss-Studie 2012: P(G025|G127) = 87%).
Diese bedingten Wahrscheinlichkeiten ('Schnittmengen') dürfen bei einer Summenbildung nicht doppelt gewertet, sondern müssten subtrahiert werden. Dies zu berücksichtigen ist praktisch jedoch nicht mehr möglich, wenn viele Items in einem Fall gleichzeitig auftreten: die Zahl der möglichen Überlappungen zwischen Items steigt überproportional mit der Zahl der zutreffenden Items und erreicht schnell Werte, die eine methodische Behandlung des Problems nicht mehr zulassen (z. B. Fall mit 10 Items: es gibt 1015 verschiedene Möglichkeiten, 10 aus 151 Items zu kombinieren). Die erforderlichen, empirischen Häufigkeiten von möglichen Fallkonstellationen, und der Grad ihrer Überlappungen, sind in menschlichen Bevölkerungen also nicht ermittelbar.

Elimination-below-Maximum-Methode (EbM-Methode)

Eine Summation von Items kann dadurch erfolgen, dass Items mit thematischen Überlappungen bei der Summenbildung ausgeschlossen werden. In der Praxis bewährt sich dabei eine Vorgehensweise, die wir als Elimination-below-Maximum-Methode bezeichnen: hierbei werden Items, welche thematische Überlappungen zeigen, zu einem Themenbereich zusammengefasst, und zur Summenbildung wird nur dasjenige Item des Themenbereich herangezogen, das den höchsten R-Score besitzt (das schwerwiegendste Item). Weniger schwerwiegende Items, die einen kleineren R-Score innerhalb des Themenbereichs besitzen, werden eliminiert und tragen nicht zur Summe bei. Dies entspricht der Annahme, dass die Items thematisch vollständig durch das schwerwiegendste Item des Themenbereichs repräsentiert werden. 'Vollständige Repräsentation durch ein schwerwiegenderes Item' trifft in der Regel jedoch nicht zu, so dass die EbM-Methode tendenziell konservative Werte für den Verlust von Kindeswohl liefert, die dann zu optimistisch sind.
Die Bestimmung des Gesamt-Verlusts von Kindeswohl erfolgt bei der EbM-Methode schließlich als Summe der Maxima der Themenbereiche, und dies impliziert, dass der ermittelte Summenscore proportional zur Anzahl der gewählten Themenbereiche ist: je größer die Zahl der Themenbereiche, desto größer wird der Summen-Score, weil mehr Maximum-Werte zur Summe beitragen. Der wahre Wert des Verlusts von Kindeswohl bleibt dadurch zunächst unbestimmbar, er kann jedoch durch untere und obere Abschätzungen weiter eingegrenzt werden, wie folgt:

Untere Abschätzung des Gesamtverlusts von Kindeswohl

Die unterste Abschätzung, die möglich wäre, bestünde darin, dass von allen Items, die in einem Fall beobachtet werden, nur dasjenige mit dem maximalen R-Score berücksichtigt wird. Dies wäre gleichbedeutend damit, dass alle Items der KiMiss-Liste inhaltlich einem einzigen Themenbereich untergeordnet werden, was der Verschiedenheit der 151 Items nicht gerecht wird. Die Annahme eines einzigen Themenbereichs, und damit die Annahme, dass alle Items eines Themenbereichs inhaltlich vollständig mit einem beobachteten Maximal-Item überlappen, ist unrealistisch konservativ, so dass weitere Themenbereiche gebildet werden müssen.
Ein grobes Verfahren zur thematischen Klassifikation von feindlich-aggressivem Elternverhalten könnte z. B. das 'target' des Elternverhaltens adressieren und zwischen den folgenden vier Themenbereichen unterscheiden:
  1. Elternverhalten, das sich gegen das Kind richtet,
  2. Elternverhalten, das sich gegen den anderen Elternteil richtet,
  3. Elternverhalten, das sich nicht in die beiden vorgenannten Themenbereiche einordnen lässt und eher die 'Familie als Ganzes' betrifft, und
  4. alle anderen Sachverhalte, die sich nicht in den Themenbereichen 1 bis 3 klassifizieren lassen.
Es gibt zahlreiche Items der KiMiss-Liste, die zeigen, dass eine derart geringe Zahl von Themenbereichen jedoch nicht ausreicht, um alle Sachverhalte aus dem Umfeld der Problematik hostile-aggressive parenting geeignet klassifizieren zu können.

Obere Abschätzung des Gesamtverlusts von Kindeswohl

Die oberste Abschätzung, die möglich ist, besteht darin, dass keine Klassifikation vorgenommen wird, und die Summenbildung auf der Basis aller Items erfolgt, die in einem Fall beobachtet werden. Dies ist gleichbedeutend damit, dass jedes Item der KiMiss-Liste inhaltlich einen eigenständigen Themenbereich darstellt, was der bestehenden, inhaltlichen Überlappung von Items jedoch wiederspricht (s. o.). Die Annahme, dass jedes Item seinen einzelnen Themenbereich darstellt, liefert über-pessimistische Summenwerte und damit eine obere Abschätzung, die besagt, dass der ermittelte Gesamtverlust von Kindeswohl unterhalb dieses Werts liegen muss. Die obere Abschätzung führt zur inhaltlichen Aussage "der wahre Verlust von Kindeswohl muss kleiner sein, als der Verlust, der durch die Summe aller Items verursacht wird".

Mittlere Abschätzung des Gesamtverlusts von Kindeswohl

Die vorangegangen Abschnitte haben gezeigt, dass die Ermittlung eines Gesamtverlusts von Kindeswohl davon abhängt, in wie viele Themenbereiche die Items der KiMiss-Liste eingeordnet werden: ein feines Klassifizierungsverfahren mit vielen Themenbereichen erzeugt hohe Verlust-Werte, und ein grobes Klassifizierungsverfahren mit wenigen Themenbereichen erzeugt geringe Verlust-Werte. Die EbM-Methode spiegelt damit auch die Diversität menschlichen Empfindens und menschlicher Beurteilungen wider: Die Wahl mehrerer Themenbereiche ergibt das Bewertungsverhalten von Menschen, die Sachverhalte eher sensibel beurteilen, während die Wahl weniger Themenbereiche das Bewertungsverhalten von Menschen ergibt, die Sachverhalte eher robust beurteilen. Die wissenschaftliche Behandlung dieses Verfahrens, das eine mittlere Abschätzung des Gesamtverlusts von Kindeswohl erlaubt, wird auf den Seiten des KiMiss-Algorithmus beschrieben.
Verwandte Themen: